In der aktuellen Ausstellung der Galerie Nicole Gnesa begibt sich Dimitri Horta auf eine Spurensuche. Hortas Suche nach Spuren führt zurück in die Vergangenheit, genauer gesagt ins 19. Jahrhundert mit seinen noch weitgehend unbebauten Landschaften und romantisch anmutenden Gegenden. Der Blick auf Wiesen und Berge, Gewässer und Flüsse schlug sich auf vielfältige Weise in Landschaftsbildern oder Stadtansichten nieder. Zahlreiche sogenannte Veduten entstanden, die den Bildgegenstand so wirklichkeitsgetreu wie möglich zu fassen suchten. Besonders grafische Druckverfahren, wie etwa Stiche, eigneten sich für diese Art der Darstellung. Dimitri Hortas Präsentation «RHEIN / FALL / TREES» greift diese historischen Druckvorlagen auf und überführt sie in einen zeitgenössischen Kontext.
Auf meist grossformatigen Leinwänden nähert sich der Schweizer Künstler mit deutschen Wurzeln auf ganz eigene Art und Weise seinem Thema an. Ausgehend von historischen Stichen, konzentriert sich Horta dabei auf einen gezielten Ausschnitt. Diesen überträgt er stark vergrössert auf den Bildträger. Die extremen Nahaufnahmen von übergrossen Bäumen, Baumkronen und Wasserstrudeln, lassen die Betrachterinnen und Betrachter auf den ersten Blick beinahe schwindlig werden. Verstärkt wird dieser Effekt durch den Kontrast des in weiss aufgetragenen Bildsujets auf dunkelbraunem, ockrigem Hintergrund. Das Bildmotiv scheint aus der Leinwand heraustreten zu wollen. Kaskadenförmig ergiesst sich der titelgebende Rheinfall über das Bild, Wassermassen und Vegetation verschwimmen ineinander.
Mit seiner Bildtechnik gelingt Horta gleich in dreifacher Hinsicht eine Überführung. Basierend auf der klassischen Druckgrafik, bearbeitet und vergrössert er den gewählten Bildausschnitt mit modernster Technik am Scanner, um ihn sodann wieder in traditioneller Malweise auszuführen. Neben seinem aussergewöhnlichen Umgang mit Sujets, fällt eine weitere Besonderheit ins Auge. Hortas Bilder sind mit einem Lack überzogen, der den Werken eine zusätzliche Dimension verleiht. Glänzend, manchmal tropfenartig, an anderen Stellen wiederum frei von Lack, evoziert das Kunstharz eine gallertartige Haptik.
Bereits seit Mitte der 90er Jahre arbeitet Dimitri Horta mit Kunstharz. Ein Ausstellungsprojekt führt ihn in dieser Zeit nach Japan, was eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem Material zur Folge hat und sein Schaffen nachhaltig prägt. Insbesondere die Verwendung von synthetischem Lack führt zu einer chemischen Reaktion mit der darunterliegenden Farbschicht. Es kommt zu Verfärbungen des in weisser Farbe gemalten Bildsujets, von blutrot über rotorange zu blassrosa und beige. Der Prozess der Verfärbung beziehungsweise die chemische Reaktion von Giessharz ist für den Künstler nicht beeinflussbar. Er macht sich das Element dennoch zu eigen und hat es über die Jahre zu einer grossen Meisterschaft gebracht. In mehreren Schichten trägt er das Harz auf, verdichtet seine poetischen Bildgeschichten, spart Stellen aus. Der Kontrast von hochglänzenden und gedeckten Stellen stellte die Wahrnehmung des Publikums auf die Probe. Das Spiel von Bildgrund und Lackoberfläche wird zum elementaren Bestandteil der Werke. Fantastische ja gar abstrakte Landschaften entstehen, die wirklichkeitstreue Darstellung der Veduten ist längst in der Gegenwart angekommen.
Dimitri Hortas Auseinandersetzung mit Landschaftsbildern ist ein wiederkehrendes Thema in seinem Werk. Wohnhaft am Zürichsee, spürte er bereits in seinen Schilfbildern zeitgenössischen Darstellungsweisen von Landschaft nach. Die Ausstellung «RHEIN / FALL / TREES» kann als Fortführung dieser Spurensuche verstanden werden. Vom Zürichsee aus, seinem Wohn- und Inspirationsort, wandert er nun den Rhein hinab nach Schaffhausen zum Rheinfall. Mit dem Rheinfall nimmt er sich ein Schweizer Naturdenkmal vor. Seit 1983 als geschützte Landschaft und Naturdenkmal eingetragen, hat das Naturspektakel seit jeher unzählige Schriftsteller und Künstler inspiriert wie beispielsweise Goethe und William Turner. Mit einer zeitgenössischen Sicht auf den Rheinfall, den Herbst und seine Bäume reiht sich Horta in diese illustre Gruppe mit ein.
Dimitri Hortas Bilder eröffnen neue Sichtweisen auf vermeintlich Bekanntes und versöhnen dabei Vergangenheit und Gegenwart.
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