26.10. – 21.12.2019

Galerie Mark Müller
Martín Mele
«aires nuevos»
TEXT


Ein frischer Wind weht durch die Räume der Galerie Mark Müller. Martín Mele, ein Wanderer zwischen Argentinien und Europa hat Materialcollagen, Bildobjekte und Installationen im Gepäck und schlägt für die aktuelle Ausstellung «aires nuevos» seine Zelte in den Galerieräumlichkeiten auf.

An der zum Innenhof grenzenden Wand haben sich zwei rechteckige Stoffobjekte niedergelassen. In acht farbige Dreiecke unterteilt, scheinen die mit Kartonfüllung verzogen Spannobjekte an der Wandfläche zu schweben. Die Wandfläche selbst nimmt die geometrische Form in einem kräftigen Pink auf, stellt sie jedoch auf die Spitze. Bei Mele reicht die Präsentation der Werke weit über das Zeigen von Objekten hinaus. Mele’s Ausstellungen folgen vielmehr einer klaren Dramaturgie, was zur Einbeziehung des gesamten Raumes führt und nicht nur zur Summe der einzelnen Teile. «Aires nuevos» bildet hierbei keine Ausnahme.

Die Salonhängung in pyramidaler Form bestimmt die collagenartige Anordnung der gegenüberliegenden Wand. In umgekehrter Form greift sie die thematische Ausgangslage der Spannobjektewand auf. Die Diagonale fungiert dabei nicht nur innerhalb der Hängung als elementarer Werkbestandteil; sie übernimmt gleichzeitig die Funktion der Bildaufteilung. Die Petersburger Hängung vereint mitunter Collagen und Wandobjekte mit Leinwänden, die schemenhaft ihr Füllmaterial erkennen lassen. Die Diagonale fungiert dabei als materialübergreifende Verbindung.

Martín Mele’s Materialwahl ist keineswegs zufällig. Die haptische Wahrnehmung sei ein wichtiges Element, um verschiedene Möglichkeiten des Empfindens auszudrücken. Mit Hilfe der Materialien versucht er so nah wie möglich an dieses Empfinden heranzukommen und vereint Einfachheit mit Sensibilität. Fundstücke aus dem Trödelmarkt, vom Strassenrand Mitgenommenes und weggeworfene Dinge dienen ihm als Basis dafür. Der materielle Überfluss unserer Gesellschaft, ausrangierte Objekte oder Verpackungsmaterial erhalten bei Mele eine neue Existenz. Diese Materialsammlung greift er auf und übersetzt sie in einen neuen Kontext. Fragil und gleichzeitig hart, lotet er in subtilen Arrangements, collagierten Bildern und neu zusammengetragenen Objekten Überlegungen über das Dasein aus. Diese Form des Ausdrucks, des Sowohl-als-auch, des Sich-nicht-festlegen-wollen, ist Martín Mele’s Arbeiten aber auch seiner Lebenshaltung inhärent.


Zwischen den beiden klar gegliederten Wandinstallation hat sich eine Gruppe Affen niedergelassen. Auf gestapelten Zigarrenschachteln, einem umgedrehten Eimer oder einem überhohen Tischchen, sitzen die in Gips getauchten Tiere, die Betrachterinnen und Betrachter direkt fixierend. Teils sind sie zusätzlich mit Gipsbandagen umwickelt und derart eingebunden, sodass die ursprüngliche Form beinahe verschwindet. Das Material Gips paart Mele’s Expressivität mit einer dringlichen Unmittelbarkeit, die in den Vordergrund drängt. Während eines zweimonatigen Atelieraufenthaltes auf der Raketenstation Hombroich bei Düsseldorf, rief der Künstler 2008 die Affen zu Hilfe, um die geschaffenen Werke zu begutachten. Einer der Affen scheint sich ob der präsentierten Arbeiten an den Kopf zu greifen, ein anderer kann sich vor Lachen kaum auf der wackligen Leiter halten. Das daraus entstandene stellvertretende Publikum der Primaten spiegelt nicht nur die Gemütszustände, Launen und Gefühle des Künstlers wider. Vielmehr tritt die Affengruppe als repräsentativer Ersatz der menschlichen condition humaine in Erscheinung.

In «aires nuevos» nimmt Martín Mele die Besucherinnen und Besucher auf eine Reise, deren Ziel nicht geografisch verortet ist. Die Reise als Erfahrung bekommt in Mele’s Kosmos eine Direktheit, deren sinnlich-surrealistische Formen stets aufs Neue Gefühlszustände eruieren und das Dasein der Dinge erforschen.


barbara.ruf@gmx.ch